[Ich lese] Macho/Wunschel: Science & Fiction
„Gedankenexperimente gehören zur Wissenschaft, erst recht zur Literatur, und auch die Philosophie macht von jenen kleinen fiktiven Verrückungen der Realität Gebrauch, deren Auswirkungen im Gedanken durchgespielt werden. Manchmal ist es also Science, dann eher Fiction, die in diesem Band die Oberhand gewinnt, und nicht zuletzt geht es um Science Fiction.“
Ursprünglich habe ich dieses Buch beim Uni-Bücherflohmarkt vor Jahren u.a. deshalb gekauft, weil Aufsätze namens „American Paranoia: Bladerunner/Matrix“ und „Von einem Marsstandpunkt aus betrachtet: Ludwig Wittgenstein über Gedankenexperimente“ enthalten sind – zu beiden Themen habe ich seinerzeit Hausarbeiten geschrieben.
Aber neben seminarrelevanten Themen hat „Science & Fiction“ noch viele weitere spannende Entdeckungsreisen in „Gedankenexperimente in Wissenschaft, Literatur und Philosophie“ zu bieten, eingeteilt in „Narrationen des Unvorstellbaren“, „Fremde Welten und andere Sterne“, „Science in Fiction / Fiction in Science“, „Zeitreisen“ und „Doppelte Böden“. Ich stecke bereits mitten in letzteren und bin beim schönen Thema „Das vertraute Fremde, das Unheimliche, das Komische. Die ästhetischen Effekte des Gedankenexperiments“.
Was sonst so drinsteckt? Sehr faszinierend fand ich etwa den Aufsatz des Herausgebers Macho „Die Räsel der vierten Dimension“, woraufhin ich mir seinerzeit „Flacherland“ besorgt habe. Nicht ganz einfach war für mich dagegen „Das Mögliche im Modell und die Vermeidung der Fiktion“ von Bernd Mahr – was wenig wundert, denn der Autor ist Professor im Bereich Elektrotechnik und Informatik. So merkt man bei aller lobenswerten Bemühung um Interdisziplinarität natürlich, aus welcher Fachrichtung die Autoren kommen.
Nicht zuletzt habe ich vor kurzem das großartige, von Goethe geprägte und mir bisher unbekannte Wort „veloziferisch“ gelernt 🙂
Winterkatze said,
November 25, 2012 um 14:45
„Veloziferisch“ ist ja ein cooles Wort! Ich mag solche kuriosen Wortschöpfungen! 🙂
Kiya said,
November 25, 2012 um 15:32
Nicht wahr? Aber bei Goethe wundert es mich nicht… Ich kannte es wie gesagt nicht, aber wenn man das Wort mal googelt, lassen sich einige interessante Texte finden.
Winterkatze said,
November 25, 2012 um 15:43
Jupp, so ging es mir eben auch als ich nach einer Definition suchte, nachdem ich deinen Beitrag gelesen hatte. 😀
Kiya said,
November 25, 2012 um 15:53
Zur Erklärung steht in meinem Buch:
„Wahrscheinlich gilt für das Zeitgefühl des neuen Jahrtausends zunächst etwas, das schon Goethe ‚veloziferisch‘ genannt hat, das heißt eine teuflische Zeit der Geschwindigkeit, die Menschen, Ereignisse mit sich reißt, eine Art Maschinenzeit, die zunächst von der Dampfmaschine diktiert wurde, später dann von der Elektrizität, noch später von der Elektronik, eine Art der Beschleunigung, die schließlich eine Echtzeitvermittlung der verschiedensten Ereignisse garantieren kann.“
[Joseph Vogl im Gespräch mit Alexander Kluge]
War ein sehr lesenswertes Kapitel 🙂
Winterkatze said,
November 25, 2012 um 15:59
Danke! Und das glaube ich dir! Wenn ich von solchen Büchern lese, wünsche ich mir immer, ich würde wieder mehr Geduld für etwas anspruchsvollere Texte haben.
Kiya said,
November 25, 2012 um 16:09
Hier sind es ja Aufsätze, die kann man häppchenweise lesen, alllzuviel Geduld ist also nicht erforderlich. 😉 Wie anspruchsvoll die Texte sind, hängt nicht nur vom Autor, sondern auch von der eigenen Vorbildung ab – wo ich mich schon ein wenig auskenne, liest es sich natürlich entsprechend leichter; insgesamt hat man sich aber deutlich um Verständlichkeit bemüht, finde ich.
Winterkatze said,
November 26, 2012 um 14:16
Das häppchenweise Lesen fällt mir aber auch gerade schwer, ich lese gerade ganz gern ein Buch an einem Stück, damit meine Aufmerksamkeit nicht wieder abschweift und sich einem anderen Thema widmet. 😉
Klingt aber gut – vor allem, dass man sich so um Verständlichkeit bemüht hat!